12.2.11

Welcome… to the Dark Side

[Bilder gibt es zu diesem Post nicht. Ich weiß, das ist langweilig - aber glaubt mir, immer noch wesentlich besser wie tatsächlich dabei zu sein!]

Bislang konnten wir den Schneemassen in Revelstoke nur Positives abgewinnen, wie man unseren bisherigen Posts leicht entnehmen kann. Der tiefe Powder ist göttlich zum Skifahren, die fluffigen Pillows auf allen Dächern verbreiten einen heimeligen, verschlafenen Charme und die riesigen Schneeberge neben den Straßen wirken schlichtweg beeindruckend. Also, immer her mit der weißen Pracht!

Der viele Schnee zeigt seine Schattenseite, wenn man vor der undankbaren Aufgabe steht mit dem Auto nach Calgary zu fahren. Kaum eine halbe Stunde nach Revelstoke ist der Highway gesperrt – Unfall. Umso bedenklicher stimmt uns – also Sebastian und mich – der starke Schneefall, welcher den bevorstehenden Rogers Pass schnell unpassierbar werden lassen kann. Mit dem Damoklesschwert der Straßensperrung unheilvoll über uns sinkt die Stimmung in Richtung Außentemperatur. Umdrehen? Hotel und Flug nochmal umbuchen?

Nach etwa einer Stunde Warten geht es aber glücklicherweise weiter und wir lassen den Rogers Pass hinter uns. Der nächste Unfall lässt nicht lange auf sich warten; jedoch besitzt der Trucker die Güte, seinen Lastwagen in den Straßengraben zu setzen statt die Fahrbahn zu blockieren. Der nächste Trucker zeigt diese Freundlichkeit nicht und beschließt, seinen Lastwagen auf einer Brücke quer zu legen. Komplettsperrung, weitere zwei Stunden warten.
Die Langeweile vertreiben wir beim Plaudern mit einem Trucker.

Wim, the Trucker: “I got custom seven inch pipes.”
J: “What advantage do bigger pipes have?”
Wim, the Trucker: “They look cool, eh!”
***
Wim, der Lastwagenfahrer: “Ich habe speziell angefertigte Sieben-Zoll-Auspuffrohre.“
J: “Welchen Vorteil haben denn die dickeren Auspuffrohre?“
Wim, der Lastwagenfahrer: “Die sehen geil aus, eh!“

Weiter geht's. Um die Fahrt zum Flughafen wenigstens ein wenig abwechslungsreich zu gestalten, haben Sebastian und ich uns den Reiseführer zu Gemüte geführt. Türkisfarbene Gletscherseen? Zugefroren. Vor Blumen strotzende Bergwiesen? Zugeschneit. Jede andere Attraktion? In den Wintermonaten geschlossen.
Als wir nach fast neun Stunden Fahrt endlich die Rockies hinter uns gelassen haben und in Calgary ankommen, ist es mittlerweile dunkel und Sightseeing damit auch mehr oder weniger gestorben. Immerhin sind Calgarys Bars und Burger gut – aber schweineteuer.

Rückfahrt. Mittlerweile sitzt Sebastian gemütlich am Flughafen in der Business Class Lounge und ich mache mich alleine auf den Weg in Richtung Revelstoke. Die Fahrt verläuft ebenso langweilig wie ereignislos, bis der Regen im Banff National Park in Schnee umschlägt. Der beständig fallende Schnee verschlingt schnell die Spuren der vereinzelten Autos; übrig bleibt eine weiße Fläche ohne jedes Anzeichen, wo der Straßengraben und wo die Gegenspur beginnt. Langsam taste ich mich also durchs Schneetreiben vorwärts. In Golden – 150 km vor Revelstoke – werde ich dann herausgewunken: Rogers Pass ist gesperrt. Das Dörfchen ist total überfüllt, auf jeder freien Fläche reiht sich Lastwagen an Lastwagen und Auto an Auto. In jedem Fahrzeug läuft im Radio der Traffic Channel, auf dem beständig die aktuelle Straßenlage wiederholt wird. Wie versprochen kommt nach anderthalb Stunden, um 3:30 Uhr endlich ein Update:

“…however, westbound from Golden remains closed until 6 pm with a low level of confidence.”
***
“…jedoch bleibt [der Highway] in Richtung Westen von Golden aus bis mindestens 6 Uhr abends geschlossen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er noch freigegeben wird, ist gering.”

Eine Zwangsübernachtung im Auto hat gerade noch gefehlt. Die Geschichten von Trucker Wim geistern im Hinterkopf herum…

Wim, the Trucker: “In the big snow storm this January the pass was closed and I was stuck on the Calgary side for three days. By the end they were running out of stuff everywhere. You couldn’t even get chicken anymore ‘cause they simply didn’t have any.”
***
Wim, der Lastwagenfahrer:“Im großen Schneesturm diesen Januar war der Pass geschlossen und ich saß auf der Calgary Seite drei Tage fest. Am Ende wurde alles knapp. Man konnte nichtmal mehr Hähnchen bestellen, weil sie schlichtweg keines mehr hatten.“

Um genau 16:52 Uhr – man hat ja nichts anderes zu tun, als vor dem Radio zu hängen – wird der Rogers Pass dann völlig unerwartet geöffnet. Auf einmal kommt Bewegung in die Blechmassen und alles strömt in Richtung Highway. Endlich, nach „nur“ drei Stunden Warten…
Im Schritttempo geht es den Pass hinauf. Nach einer guten Stunde stellt sich heraus, dass nicht etwa wie üblich die mit den kritischen Straßenbedingungen kämpfenden Lastwagen, sondern ein übervorsichtiger Autofahrer für das nervtötend langsame Tempo verantwortlich ist. Im Schneckentempo kriecht der Fahrer den Berg hinauf, steigt dabei alle paar Sekunden in die Eisen und verhält sich alles in allem genau gegenteilig zu den Tipps von Trucker Wim.

Wim, the Trucker: “No braking, no sudden movements. You gotta float through the curves, eh.“
*** 
Wim, der Lastwagenfahrer: “Kein Bremsen, keine plötzlichen Bewegungen. Man muss durch die Kurven gleiten, eh.“

Durch das dröhnende Hupen der Lastwagen lässt sich der Fahrer jedoch keineswegs aus der Ruhe bringen und denkt auch nicht im Entferntesten daran, die anderen Fahrzeuge an einer geeigneten Stelle passieren zu lassen. Schlussendlich zwingt er mit seiner übervorsichtigen Fahrweise sogar den letzten Trucker zum Überholen, was auf der ungeräumten, rutschigen Straße keine ungefährliche Aufgabe ist.
Das einer halbleeren Taschenlampe ähnelnde Licht des Mietwagens durchdringt die mittlerweile hereingebrochene Dunkelheit und das dichte Schneetreiben kaum. Wie ich per SMS erfahre, wurde der Pass aufgrund erneuerten Lawinenabgangs mittlerweile schon wieder geschlossen, was die Fahrt auch nicht gerade entspannter macht. Langsam, aber stetig geht es voran...

Nach knapp zehn Stunden Fahrt erreiche ich schlussendlich ziemlich müde und entnervt Revelstoke. Sebastian ist zu diesem Zeitpunkt schon fast in Deutschland.

Zumindest für heute habe ich definitiv genug von all dem Schnee!
~J

P.S. Fabi (der Sack) hatte natürlich zwei gute Powdertage...

1 Kommentar:

  1. Das is ja echt bös. Schickt mal Schnee rüber, in Oberstdorf guckt schon der Acker raus ;)

    - Flo

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